Beneschau (Böhmen)

 Datei:Boehmische Westbahn.pngMap cz Benešov kroton.svg  Das mittelböhmische Beneschau ist die etwa 35 Kilometer südöstlich von Prag gelegene tschechische Kleinstadt Ort Benešov mit derzeit ca. 16.500 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Skizze 'Tschechien', Benešov rot markiert).

 

Eine erstmalige Erwähnung von Juden in Beneschau erfolgte bereits im ausgehenden 14.Jahrhundert; im Jahre 1590 sind namentlich fünf jüdische Familien bekannt. In den Folgejahrhunderten gibt es keine weiteren Hinweise für die Anwesenheit jüdischer Familien. Im Laufe des 18.Jahrhunderts lebten in der Kleinstadt Beneschau nur wenige jüdische Familien. Erst gegen Mitte des 19.Jahrhunderts setzte dann ein stärkerer Zuzug ein, der in den 1840er Jahren die Konstituierung einer Kultusgemeinde ermöglichte. Die Gemeindeangehörigen – dazu zählten zahlreiche Familien aus Dörfern der Umgebung - machten im ausgehenden 19.Jahrhundert mit ca. 450 Personen immerhin einen Anteil von ca. 8% der Gesamtbevölkerung aus. Ab den 1880er Jahren entwickelte sich Beneschau zu einem Zentrum der tschechisch-nationalistisch ausgerichteten Judenschaft, die sich in der Bewegung "Svaz Cechu-Zidu" gegen die Dominanz des Deutschtum in den Gemeinden richtete (damit auch gegen die deutschsprachig geführten jüdischen Schulen).

Gegen Mitte der 1880er Jahre wurde ein aus dem Jahre 1845 stammendes Synagogengebäude restauriert bzw. erweitert.

In diese Zeit fiel auch die Anlage eines neuen Friedhofs, der eine aus dem 17.Jahrhundert stammende Begräbnisstätte ersetzte; ein Teil der alten Grabsteine - der älteste datiert von 1796 - wurde später auf das neue Gelände verbracht.

Juden in Beneschau:

    --- 1570 ...........................   5 jüdische Familien,

    --- 1724 ...........................   6     "       "    ,

    --- 1848 ...........................   8     “       “    ,

    --- 1890/1900 .................. ca. 450 Juden (ca. 7% d. Bevölk.),*     *gesamte Gemeinde

    --- um 1920 .................... ca. 400   "  , 

    --- 1930 ........................... 237   “   (ca. 3% d. Bevölk.),*

    --- 1940 ....................... ca. 360   “ .*   

Angaben aus: Institut Terezínské iniciativy

File:11044-Beneschau-1910-Blick auf Beneschau von Osten-Brück & Sohn Kunstverlag.jpgAnsicht von Beneschau, um 1910 (Abb. aus: wikipedia.org, CCO)

 

Wie alle jüdischen Gemeinden Böhmens fand auch die von Beneschau während der NS-Zeit ein gewaltsames Ende. Im Mai 1942 wurden zahlreiche Juden Beneschaus zur Zwangsarbeit herangezogen; die meisten wurden in das Vernichtungslager Maly Trostinec in der Nähe von Minsk verbracht und dort ermordet.

Seit dem Sommer 1944 befand sich in der Nähe von Beneschau ein Lager für Juden, die „in Mischehe“ verheiratet waren. Bis gegen Kriegsende sollen hier ca. 1.500 Personen gewesen sein.

 

Nur zwei Beneschauer Juden kehrten nach Kriegsende in ihre Heimatstadt zurück; eine Gemeinde bildete sich hier nicht wieder.

Mitte der 1970er Jahre wurde das ehemalige Synagogengebäude – es hatte nach 1945 der Hussitischen Kirche als Gotteshaus gedient – abgerissen. Die im Gebäude befindlichen Kultgegenstände waren bereits ins zentrale jüdische Museum nach Prag gebracht worden.

                            vor dem Abriss 1975 (Aufn. aus: zanikleobce.cz)  

In den 1980er Jahren wurde ein Teil der historischen Grabsteine vom alten Friedhof auf den neuen umgesetzt.


Neuer jüdischer Friedhof - Taharahaus (Aufn. J. Erbenová, 2012 bzw. Petr, 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Mehrere in Benesov verlegte sog. "Stolpersteine" erinnern an Opfer der NS-Herrschaft.

Gedenkstein für Arnost Holzer.jpg Gedenkstein für Marie Holzerová.jpg Gedenkstein für Olga Holzerova.jpg Aufn. Chr. Michelides, 2016, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0

 

 

In Neweklau (tsch. Neveklov, derzeit ca. 2.500 Einw.) – einer Ortschaft ca. zehn Kilometer südöstlich von Beneschau – hat es seit dem 17.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde gegeben. 1870 zählte die hier lebende jüdische Bevölkerung nahezu 120 Köpfe; 1930 waren es nur noch 28 Personen.

Der südlich der Ortschaft angelegte, von einer Mauer umgebene Friedhof, dessen Entstehung um 1750/60 erfolgte und auch Nachbargemeinden (Netvorice, Zahradka) zur Verfügung stand, wurde bis 1939 genutzt. Das seit 1988 als "geschütztes Kulturdenkmal" geführtes Friedhofsgelände wird zunehmend von der Vegetation eingenommen.

Jewish cemetery in Neveklov 07-2012, 01.JPGJewish cemetery in Neveklov 07-2012, 10.JPG

sehr alte Grabsteine (Aufn. Ladislav Faigl, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

Im südöstlich von Beneschau gelegenen Wlaschim (tsch. Vlašim, derzeit ca. 11.500 Einw.) gab es seit der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts eine kleine jüdische Gemeinde, die ihren zahlenmäßigen Höchststand um 1890 mit mehr als 200 Mitgliedern erreichte. Um 1930 lebten nur noch ca. 70 Juden im Ort; sie wurden zusammen mit Prager Juden ins Ghetto Theresienstadt verschleppt, und von hier kamen die meisten in die Vernichtungslager.

             Ehem. Synagoge um 1985 (Aufn. aus: zanikleobce.cz)

Auf dem von der Vegetation fast völlig eingenommenen jüdischen Friedhof in Vlašim sind heute nur noch wenige Grabsteine bzw. -relikte vorhanden.

Židovský hřbitov Vlašim - vstup.jpg Židovský hřbitov Vlašim - SZ.jpg

Jüdischer Friedhof in Vlašim (Aufn. J. Erbenová, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

Im ca. 15 Kilometer südlich von Beneschau gelegenen Wotitz (tsch. Votice, derzeit ca. 4.500 Einw.) hatten jüdische Familien bereits im 16.Jahrhundert eine Gemeinde gebildet, die damals zu eine der größten in Böhmen zählte. Ihre Angehörigen verdienten ihren Lebenserwerb im Handel mit Wolle, Leder und Flachs, später auch im Viehhandel.

Mehrere Großbrände zerstörten 1661, 1693 und 1724 das jüdische Wohngebiet, das aber immer wieder aufgebaut wurde.

Ab Mitte des 19.Jahrhunderts zählten die meisten in Wotitz lebenden Juden zur bürgerlichen Mittelschicht und waren vollständig in das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben der Stadt integriert.

Um 1870 lebten etwa 340 Juden in Wotitz; infolge von Abwanderung waren es 1930 nur noch 76.

Jüdische Familien aus Wotitz wurden Ende 1942 deportiert.


 Jüdischer Friedhof in Votice (Aufn. J. Erbenová, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

In der östlich von Beneschau liegenden Ortschaft Divisov (tsch. Divišov, derzeit ca. 1.500 Einw.) wurden die Wurzeln einer jüdischen Gemeinde im ausgehenden 17.Jahrhundert gelegt. In den 1830er Jahren setzte sich die Gemeinde aus ca. 20 Familien zusammen, und um 1880 zählte die Gemeinde ca. 130 Mitglieder; fünf Jahrzehnte später lebten dann nur noch ca. 20 jüdische Einwohner im Ort.

Neben einem aus dem Jahre 1776 stammenden Friedhof besaß die hiesige Judenschaft auch eine Synagoge, die um die Mitte des 19.Jahrhunderts errichtet worden war.

  Synagogengebäude (Aufn. Jitka Erbenová, 2013, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

In dem spätklassizistischen Gebäude, dessen Restaurierung mit Mitteln der EU im Herbst 2004 abgeschlossen wurde, befindet sich heute ein Museum, das das Leben in einer jüdischen Siedlung in der Region dokumentiert. Noch heute findet man auf dem Friedhof barocke wie auch klassizistische Grabsteine aus dem 18. Jahrhundert.

http://thumbs.dreamstime.com/x/jewish-cemetry-august-divisov-czech-republic-old-divisov-august-divisov-czech-republic-53922222.jpg Jüdischer Friedhof in Divisov (Aufn. 2013, aus: dreamstime.com)

http://thumbs.dreamstime.com/x/jewish-cemetry-august-divisov-czech-republic-old-divisov-august-divisov-czech-republic-53922150.jpg http://thumbs.dreamstime.com/x/jewish-cemetry-august-divisov-czech-republic-old-divisov-august-divisov-czech-republic-53922176.jpg halbversunkene Grabsteine (Aufn. aus: dreamstime.com)

 

 

In Miechnow (tsch. Měchnov) – heute ein Ortsteil von Divišov mit derzeit ca. 300 Einw.befindet sich ein im letzten Viertel des 18.Jahrhunderts angelegter jüdischer Friedhof. Auf dem am Ortsrand liegenden, mit einer Mauer umgebenen Areal stehen etliche Grabsteine aus dem 18.Jahrhundert; auch das Taharahaus ist noch vorhanden.

Aufn. Petr, 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0

 

 

 

In Natscheradetz (tsch. Načeradec), einer kleinen Ortschaft im Kreis Beneschau (Benešov) mit derzeit ca. 1.000 Einw., existierte eine kleine jüdische Gemeinde seit der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Die letzten jüdischen Familien verließen das Dorf unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkrieges. Ein im 19. Jahrhundert errichtetes Synagogengebäude ist baulich bis heute erhalten und wird seit vielen Jahrzehnten zu Lagerzwecken genutzt.

Ehemalige Synagoge (Aufn. Jitka Erbenová, 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Der in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts angelegte jüdische Friedhof - er gilt heute als "schützenswertes Kulturdenkmal" – weist noch eine Reihe sehr alter Grabsteine auf.

ŽH Načeradec 13.jpg

Jüdisches Begräbnisareal in Načeradec (Aufn. J. Erbenová, 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

In Pravonin (tsch. Pravonin), einem kleinen Dorf im Kreis Benesov mit derzeit ca. 500 Einw., befindet sich heute noch das stark baufällige einstige Synagogengebäude, das im 19.Jahrhundert errichtet wurde und heute als Stallung/Scheune/Lagerraum genutzt wird. Ein aus der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts stammender Friedhof erinnert mit seinen nur wenigen Grabsteinen bzw. -relikten an die einstige Begräbnisstätte. 

ŽH Pravonín 14.jpg Aufn. J. Erbenová, 2013, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

In der Kleinstadt Pischel (tsch. Pyšely, mit derzeit 11.000 Einw.) – ca. zehn Kilometer nördlich von Beneschau – wurde in den vergangenen Jahren das als Synagoge benutzte Gebäude (erbaut gegen Ende des 19.Jahrhunderts) grundlegende restauriert.

Restauriertes Synagogengebäude (Aufn. Fet'our, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Jaroslav Polák-Rokycana (Bearb.), Beneschau, in: Hugo Gold (Hrg.), Židé a židovské obce v Cechách v minulosti a prítomnosti Židovské nakladatelství, Brno - Praha 1934, S. 26 - 29

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, New York University Press, Washington Square, New York 2001, Bd. 1, S. 108 und Bd. 3, S. 1409

Angaben aus: Institut Terezínské iniciativy

Jewish families from Benešov (Beneschau), Bohemia, Czech Republic, in: geni.com/projects/

The Jewish Community of Benesov, Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/benesov

In Benesov verlegte Stolpersteine, online abrufbar unter: commons.wikimedia.org/wiki/Category:Gedenksteine_in_Benešov?